Neuausrichtung der Musikschule Trossingen bis 2024

von Achim Robold

 


 

»Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen.«

Heraklit

 

Wir – die Musikschule Trossingen – denken seit ca. sechs Jahren über die Zusammenhänge von Potenzialentfaltung, Selbstbestimmung, Teams und Lerngemeinschaften, Positiver Psychologie, Empowerment und die Öffnung bisheriger Lehr- und Lernformen nach. Und das, weil wir schlicht in einer besseren Welt leben wollen und in unseren Räumen und Situationen damit anfangen möchten. Was sollten wir ändern, damit unsere Schule eine Gemeinschaft wird, in der wir uns gegenseitig ermutigen, einladen und inspirieren, um über uns selbst hinauszuwachsen? Welche Bedingungen und Haltungen sind nötig, damit Lehrende und Lernende ihre Gaben individuell entfalten können? Was muss sich ändern, damit »Lernen« wieder zu einem lustvollen und selbstbestimmten Prozess wird und »Musizieren« dauerhaft Freude macht?

 

Wir setzen das Recht auf selbstbestimmtes Lernen bei Lernenden jeden Alters wie auch beim Kollegium als Grundannahme. Aus Sicht der Musikschule sollten alle Prozesse auf die Lernenden hin ausgerichtet sein. Dabei ordnen wir die Selbstbestimmung und die Selbstverwirklichung der Mitarbeiter den Lernenden nicht unter, sondern gleichwertig bei. Zum einen ergänzen wir die bisherigen Lehr- und Lernformen um offene und ineinander fließende: kein »Entweder-Oder«, sondern ein »Sowohl-Als-Auch«. Zum anderen meinen wir, dass Führung zu wichtig ist, um sie nur Führungskräften zu überlassen. Wir sind dabei, selbststeuernde Teams mit weitestgehender Entscheidungs-Verantwortung zu entwickeln.

 

Ein wichtiger Meilenstein war die Entwicklung einer Vision, die nun als Anspruch und Prüfstein für unsere Haltungen, unsere Entscheidungen und Prozesse Gültigkeit hat: »Wir schaffen für Menschen jeden Alters Räume, in denen sie Lebendigkeit, Schönheit und Spiel im Umgang mit den Künsten gestalten können. Wir wecken, ermöglichen und fördern Freude am Lernen, am eigenen Entdecken und am gemeinsamen Gestalten. Dabei soll alles aus eigenem Antrieb geschehen: bei Lernenden und Lehrenden, bei allen an unserer Schule beteiligten und arbeitenden Menschen. Unsere Schule will eine Gemeinschaft sein, in der wir uns gegenseitig ermutigen, einladen und inspirieren, um über uns selbst hinauszuwachsen.«

 

Wir haben lange Zeit nachgedacht und im Kollegium miteinander gesprochen. Nun beginnen wir, die Dinge konkret umzusetzen. Dies gelingt nur mit den beteiligten Menschen und nicht gegen sie. Nicht von oben, sondern in der Praxis, nicht von uns, sondern von den Lernenden wird entschieden, welche neuen Angebote angenommen, welche verworfen und welche modifiziert werden müssen. 2024 feiert die Musikschule Trossingen ihr 50-jähriges Jubiläum. Bis dahin möchten wir die Verwandlung unserer Institution in eine Schule mit mehreren Musizierlernhäusern, zumindest Musizierlernräumen, in unseren Mitgliedsgemeinden geschafft haben.

 

Auf diesem Weg sind wir ein paar besonderen Menschen begegnet, die uns nach wie vor begleiten: vor allem Stefan Goeritz während der Entwicklung seines vorbildlichen Musizierlernhauses und Andreas Doerne als Inspirator und herausforderndem Gegenüber. Nun hoffen wir, hier im Musikschullabor einen inspirierenden Austausch mit anderen anstoßen zu können, die auf einem ähnlichen Weg sind wie wir.


Infobroschüre


MindMap: Neue und partizipative Angebote nach Corona

Diese MindMap ist eine Arbeit für den Landesverband deutscher Musikschulen Baden-Württemberg (LVdM BW) wie auch für unsere Musikschule Trossingen. 

 

Wir sind überzeugt davon, dass sich bestimmte Megatrends während und nach der Pandemie verstärken werden. Dieses Zeitfenster wird sich in absehbarer Zeit wieder schließen – auch wenn die alte Normalität nie wieder ganz zurückkehren wird. Es sind dies Aspekte von Digitalisierung auf allen Ebenen, insbesondere im Bildungswesen, das Ineinanderfließen von privaten, beruflichen und öffentlichen Räumen. Die Phänomene sind Homeoffice, Online-Unterricht, Gamification. Die in Bewegung geratenen Megatrends sind Individualisierung als Basis unserer Gesellschaftsstrukturen, Lebensqualität »Besser statt Mehr«, Konnektivität, Lebenslanges Lernen, Gesundheit und andere mehr.

 

Die Zeit zu Handeln ist jetzt. Erkenntnisse und Entwicklungen (Videokonferenzen, Digitalisierung, Smartphone als Werkzeug uvm.) jetzt nutzbringend sinnvoll in pädagogische Kontexte zu integrieren und den Lernenden die (Mit-)Gestaltungsmacht zurückzugeben, die sie schon immer haben sollten, ist das Gebot der Stunde. »Partizipation« nicht als Trend, sondern als Auftrag und Fluchtpunkt. 

 

Absicht der Initiative:

  • Es geht um die Erhöhung des Nutzens, der Wirksamkeit für die Lernenden, von Relevanz für die Gesellschaft.
  • Es geht um die Gestaltung von Entfaltungsräumen und Lernumgebungen, die musisch interessierten Menschen Spaß machen, sie inspirieren und zu ihrem Wachstum ermutigen. Dabei erleben sie sich als selbstbestimmte und selbstwirksame Gestaltende.
  • Es geht darum, die Veränderungen (Megatrends) der gesellschaftlichen Grundstimmungen aufzunehmen.
  • Es geht um die Gewinnung neuer sowie das Bei-der-Stange-Halten bisheriger Lernender.
Download
Partizipative Angebote nach Corona
Hier finden Sie die MindMap als HTML-Datei mit vielen zusätzlichen Anmerkungen, Literaturempfehlungen, Querverweisen und Diskussionen …
20 05 25 Partizipative Angebote nach Cor
HTML Dokument 3.2 MB

Materialien zur Selbstreflexion & Teamentwicklung

Ausgehend von dem vierten Aspekt unserer Vision »Unsere Schule soll eine Gemeinschaft sein…« dachten wir über unsere Erwartungen an uns selbst wie an die Kolleg*innen nach. Wozu verpflichten wir uns selbst in unserem Beruf? Welche Haltungen sollten wir einnehmen, damit es uns gelingt, einen Lern-Raum zu etablieren, in dem wir selbst und alle, von Kindern bis alten Menschen, wachsen und blühen können? 

 

Dabei geht es uns nicht darum, den anderen verändern zu wollen, ihn zu einem bestimmtes Mindset zu nötigen, sondern einzuladen, sich zum einen über sein eigenes Setting Gedanken zu machen und zum anderen darüber nachzudenken, welche  Strukturen und Bedingungen wir ändern sollten, damit sie zu einem Nährboden für konstruktive und verbindliche Haltungen werden, auf dem sie von selbst entstehen. 

Noch einmal: Dies soll keine Wertekampagne sein. "Wertekampagnen proklamieren eine gewünschte Kultur. Kultur kann man sich aber nicht aussuchen, sondern sie ist immer der Schatten der herrschenden Verhältnisse, steht also kausal immer am Ende. Lenkbewegungen jeder Art provozieren nichts als Schauspielerei." Mark Poppenborg

 

Selbstverständlich setzen wir damit ein Zeichen für unsere Werte und unsere Haltungen. Gerade Prinzipien sind die schlussendlich handlungsleitenden Leitlinien für die großen und kleinen Entscheidungen im Alltag. Diese wollen von den Kollegien selbst aus ihren Haltungen abgeleitet und erarbeitet werden. Am Ende sollten Antworten gegeben werden auf Fragen wie: »Ist unsere Schule für dich der richtige Ort?«, »Was sind deine individuellen Stärken, die deines Teams, was sind deine Ziele, deine Erwartungen?«, »Wie positiv ist unser Organisationsklima wirklich?«

 

Die Vorlagen für kollegiale, pädagogische Tage oder Klausuren sind noch lange nicht fertig – hier liegt bisher ca. die Hälfte vor. Sie entstanden aus der Reflexion von Erkenntnissen der »Positiven Psychologie«, insbesondere nach Martin Seligman, sowie den Leitlinien der »Akademie für Potenzialentfaltung« von Gerald Hüther.