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Zwölf Anregungen, um das Hören radikal ins Zentrum eines Musizierlernhauses zu rücken

 

von Andreas Doerne

 

 

Musik ist aufs Hören angewiesen wie Pflanzen auf Erde. Und so wie in verantwortungsvoller Landwirtschaft die Kultivierung des Bodens eine zentrale Stellung einnimmt, sollte in einem Musizierlernhaus die Kultivierung des Hörens, die Hör-Bildung, im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Begreift man das Hören als eine vieldimensionale, multimodale, explorative, erkenntnisfördernde, identitätsstiftende, präsenzschaffende, stilleerzeugende, individuelle, verbindende, kreative, lustvolle, aktive Tätigkeit, erkennt man schnell, dass es in unserer Musizierlernkultur noch viel zu tun gibt, um diese scheinbare Selbstverständlichkeit auch tatsächlich in Realität umzusetzen. Im Folgenden finden sich einige Anregungen dazu.

 

 

1. Klangspaziergänge anbieten

Die an Einfachheit kaum zu überbietende Idee des Klangspaziergangs geht zurück auf den kanadischen Komponisten und Klangökologen R. Murray Schafer.1 Sie besteht darin, dass ein einzelner Mensch oder aber eine beliebig große Gruppe von Menschen beschließt, sich für eine bestimmte Zeitspanne (wenige Minuten bis mehrere Stunden) schweigend und intensiv lauschend durch die Welt zu bewegen und dabei ausschließlich bei den Klängen zu bleiben, die sich dem Ohr in diesem Augenblick gerade darbieten. Klangspaziergänger üben, mit der eigenen Aufmerksamkeit nicht in die Vergangenheit oder Zukunft zu springen, sondern sie – in Kontakt mit der sich ständig wandelnden Klangumgebung – in der Gegenwart zu halten. Geleitet wird das Hören von den Klängen selbst, ohne dass man aktiv in den Hörprozess eingreift, das Wahrgenommene bewertet oder in kognitive Abstraktionen, wie Worte, Gedanken und Assoziationen verfällt. Achtsam durch die Umwelt spazierend, bleibt man ganz beim Prozess des Hörens an und für sich. Wichtig ist, sich während des Klangspaziergangs nicht von anderen Menschen ansprechen zu lassen, was nicht immer einfach zu bewerkstelligen, aber durch eine vorausschauende Wahl des Spazierweges durchaus beinflussbar ist.

 

Innerhalb eines Musizierlernhauses können Klangspaziergänge in Gruppen als angeleitete, regelmäßig stattfindende Kurse angeboten werden. Diese Kurse bieten vor allem die Möglichkeit, dass sich die Teilnehmerinnen nach dem Klangspaziergang Zeit nehmen für ein kurzes gemeinsames Blitzlicht zu den eben gemachten, meist hochgradig individuellen Hörerfahrungen. Diese Form einer wenig zeitintensiven weil didaktisch nicht oder nur wenig gelenkten Reflexion in der Gruppe kann trotz ihrer Einfachheit das zukünftige individuelle Hören enorm bereichern und seine Entwicklung stark beschleunigen.

 

Des Weiteren können Instrumentalschüler dazu ermutigt werden, während des Übens ab und zu eine kleine Pause einzulegen, um sich für ein paar Minuten ausschließlich hörend durchs Haus zu bewegen. Schön wäre es, wenn diese musikunabhängige, jederzeit und an jedem Ort praktizierbare Form des intensiven Hörens allmählich zur Gewohnheit wird, die den eigenen Wahrnehmungsalltag regelmäßig mit Hörinseln durchsetzt, ihn bereichert und qualitativ verändert. Meiner Ansicht nach lässt sich dieser auditive Entwicklungs- und Lernprozess am Treffendsten mit dem oben bereits verwendeten Begriff der Hör-Bildung (nicht: Gehörbildung!) bezeichnen.

 

Variante 1:

Man besorgt sich für einen Klangspaziergang einen portablen Audio-Rekorder, schließt einen qualitativ guten Kopfhörer daran an, schaltet den Rekorder in den Aufnahmemodus, aktiviert, falls vorhanden, den eingebauten Limiter und dreht die Kopfhörerlautstärke auf annähernd Maximum hoch. Setzt man nun den Kopfhörer auf, bietet sich einem die akustische Umwelt wie unter einer Lupe dar, mit der man live Klänge fast wie unter einem Mikroskop untersuchen kann. Für viele Menschen, die diese simple Technik zum ersten mal benutzen, ist es eine wahrnehmungsmäßige Offenbarung, dieser Vielfalt an Umgebungsklängen, denen man nie so recht Aufmerksamkeit geschenkt hat, mit einer ungekannten Intensität, ja fast achterbahnfahrtartigen Wucht zu begegnen. Denn durch die erhöhte Lautstärke können selbst relativ leise Geräusche die auditive Reizschwelle mühelos überwinden, was dazu führen kann, dass sich diese im Normalbetrieb abgesenkt: Nach einer solchen Hörerfahrung nimmt man selbst ohne akustische Lupe mehr von diesen fast unhörbaren Hintergrundklängen wahr.

 

Variante 2:

Mitten im Haus werden an einem Ort zwei extra gekennzeichnete Sessel aufgestellt, die nur dafür da sind, auf ihnen schweigend zu sitzen und zu lauschen. Darauf Sitzende dürfen von Umstehenden nicht angesprochen werden. Sie befinden sich zwar mitten im Sozialraum, haben aber – so lange sie auf den Sesseln sitzen – das Recht, nicht in sozialen Kontakt mit anderen treten zu müssen. Wie unter einem magischen Tarnumhang sind sie zwar mittendrin im Geschehen, aber als rein Lauschende weder kommunikativ noch handelnd dabei. Wollen sie wieder normal mit anderen Menschen in Kontakt treten, müssen sie von ihrem Sessel aufstehen.

 

Variante 3:

Das Prinzip des Klangspaziergangs lässt sich natürlich auch auf alle anderen Sinnesmodalitäten übertragen. Man kann beispielsweise Geruchsspaziergänge unternehmen und dabei der Welt einmal nur olfaktorisch begegnen. Oder man macht Spaziergänge, bei denen die körperlichen (kinästhetisch-taktilen) Wahrnehmungsphänomene im Fokus stehen, wie beispielweise das Gleichgewicht, der Kontakt der Füße zum Boden, Berührungen der Haut mit der Kleidung, der Widerstand der Luft beim Gehen etc. Auch Seh-Spaziergänge sind möglich, die allerdings aufgrund der Tatsache, dass der Sehsinn in unserer Kultur der primäre und daher am meisten strapazierte und konditionierte Sinn ist, wahrscheinlich die schwierigste Form dieser Variante darstellen.

 

 

2. Eine Musikhörlounge einrichten

Die Idee einer Musikhörlounge beschreibt einen eigens zum ungestörten und intensiven Musikhören eingerichteten Bereich im Musizierlernhaus. In ihm finden sich gemütliche Sessel und Sofas, die zum Verweilen und Chillen einladen. Beleuchtet ist er warm und zurückhaltend. Am Eingang liegen zur freien Verfügung bereit: iPads mit unbeschränktem Zugang zu ausgesuchten Musik-Streamingdiensten, Kopfhörer in höchster Hifi-Qualität, hochwertige externe Digital-Analog-Wandler mit ausgezeichneten Kopfhörervorverstärkern sowie Kopfhörerverteilerkabel zum gemeinsamen Hören von ein und derselben Quelle. Des Weiteren gibt es dort einen akustisch komplett abgeschirmten, pavillonartigen Raum mit Platz für eine kleine Gruppe von Hörenden. Er bietet die Möglichkeit, Musik in bestmöglicher Wiedergabequalität laut zu hören, vergleichbar der Abhörsituation im Regieraum eines professionellen Tonstudios. Auch hier findet sich entsprechend Hardware von höchster klanglicher Güte, angefangen bei einem HighEnd-Digital-Analog-Wandler über komplett signaltreue Kabel bis hin zu masteringstudiokonformen Aktivlautsprechern. Licht und Rauminterieur des Pavillons sind ebenfalls so gestaltet, dass man sich über längere Zeit entspannt in ihm aufhalten mag. Apropos Entspannung: In einer Ecke des offenen Kopfhörerbereichs der Musikhörlounge ist eine sogenannte Klangliege aufgestellt, die als Alleinstellungsmerkmal die Besonderheit hat, den Schall der über Kopfhörer abgespielten Musik – nach außen nahezu unhörbar – als Vibration in das Holz der Liegefläche zu übertragen. Auf dieser Klangliege liegend lässt sich Musik auditiv und taktil hören – eine spannende Erfahrung, die Musik als physikalische Schwingung und somit ganz allgemein als Bewegung körperlich spürbar macht.

 

Das primäre Ziel einer so oder ähnlich gestalteten Musikhörlounge besteht nicht darin, Musikhören überhaupt zu ermöglichen. Schließlich besteht am Vorhandensein von Musik in unserer smartphonegefluteten Daueronline-YouTube-Gegenwart wahrlich kein Mangel. Musik ist quasi überall und jederzeit verfügbar – ein Angebot, das viele User auch ausgiebig und selbstverständlich nutzen. Sinn und Zweck ist es vielmehr, ein konzentriertes Musikhören im Singletasking-Modus über HighEnd-Hardware in bestmöglicher Wiedergabequalität zu ermöglichen. Denn leider sind im Zuge der flächendeckenden Verbreitung des Mp3-Dateistandards inzwischen viele Menschen an minderwertiges weil hochgradig komprimiertes Audiomaterial gewöhnt, dessen Klangspektrum kaum mehr Räumlichkeit oder akustische Details abbildet. Zudem besitzt nur eine Minderheit gutes Hifi-Equipment, das ungeschönt und präzise widergibt, was eine Aufnahme an akustischem Informationsreichtum beinhaltet (oder eben nicht beinhaltet), und gleichzeitig eine klangliche Wärme verbreitet, die einen als Hörer in den klanglichen Kosmos einer Musik hineinzieht und wohlig in ihr „baden“ lässt.

 

Online-Musikstreaming ist qualitativ zwar noch mit Nachteilen behaftet, da die meisten Dienste erst im Laufe der kommenden Jahre ihr Musikangebot vollständig auf unkomprimiertes Material (losless audio) umstellen werden. Sie bietet aber schon jetzt den unschätzbaren Vorteil, dass sie Hörerinnen einen legalen, orts- und zeitunabhängigen Zugang zu Unmengen an aktuellen und historischen Aufnahmen verschafft, was keine mit herkömmlichen Tonträgern bestückte öffentliche Musikbibliothek jemals leisten könnte. Im Bereich klassischer Musik können so beispielsweise zu jedem beliebigen Werk umfangreiche Interpretationsvergleiche angestellt werden. Auch ist fast der gesamte weltweite Fundus historischer und aktueller Jazz- oder Popmusikproduktionen mit nur einem Klick verfügbar. Musik anderer Kulturen kann ebenfalls in einem Ausmaß abgerufen werden, das zu Zeiten physischer Tonträger nicht denkbar war. Sicherlich müssen in Zukunft gerechtere Lizenzhonorarmodelle geschaffen und von den Usern auch unterstützt werden, damit der große Vorteil von Streamingdiensten nicht zu Lasten der Künstler und kleinerer bis mittelgroßer Labels geht.2

 

Ist eine so geartete Musikhörlounge in einem Musizierlernhaus vorhanden, kann das aufmerksame, immersive Musikhören zu einem wesentlichen Bestandteil des Musizierunterrichts werden. Haben Schüler beispielsweise gerade keine Idee, welches Stück sie als nächstes lernen oder mit welchem Musikgenre sie sich zukünftig beschäftigen wollen, können Instrumentallehrer sie einfach mit der ein oder anderen Empfehlung zum Musikhören in die Lounge schicken. Dort lernen sie ihre potenziellen zukünftigen Stücke schon einmal klanglich kennen, haben sie also bereits im Ohr, wenn der Bearbeitungsprozess am Instrument beginnt. Geht es um klangfarbliche, artikulatorische, dynamische oder agogische Feinheiten des Spiels, können Aufnahmen von Interpreten als möglichem Vorbild in diesem oder jenem Bereich herangezogen und zunächst hörend studiert werden. Geht es um den Aufbau eines generellen Hörrepertoires, eines musikalisch weiten Horizontes, einer musikbezogenen Identitätsfindung, ist jede in der Musikhörlounge verbrachte Minute sowieso hochgradig wertvoll.

 

 

3. Einen Lauschgong installieren

An einer zentralen Stelle im Musizierlernhaus wird ein großer Gong platziert. Jeder kann ihn jederzeit anschlagen und so ein Signal an alle Anwesenden im Haus senden, kurz schweigend innezuhalten und die eigene Aufmerksamkeit aufs Hören zu lenken. Da das Signal für alle außer der Signalgeberin unerwartet kommt ­– es kann sich mitten im Üben, beim Unterrichten, in einem Gespräch oder einer anderen Tätigkeit ereignen –, betrifft das darauf folgende lauschende Innehalten potenziell jede Tätigkeit. Es unterbricht sie und führt sie gleichzeitig wieder zu ihrem Ursprung zurück: Beim Musizieren, Musikhören, Sich-Unterhalten und Unterrichten geht es im Kern um die Kompetenz des Zuhörens.

 

Wird der Gong also plötzlich von jemandem angeschlagen, kann man seinen rauschend-abschwellenden Klang als Anker für das Hören benutzen und ihm folgen, bis er sich mit den anderen momentanen Umweltgeräuschen zuerst vermischt und mit abnehmender Lautstärke schließlich darin verliert. So eröffnet sich ein Wahrnehmungsraum innerer Stille und rezeptiver Offenheit, ein paradoxer ästhetischer Zustand von simultaner Aktivität und Passivität.

 

Selbstverständlich ist eine Beteiligung an so einer durch Ertönen des Gongs angeregten Lauschminute freiwillig. Es geht in keiner Weise um kollektive Konditionierung, sondern um ein simples Angebot, das jeder annehmen oder auch ablehnen kann. Es ist sogar mindestens genauso gut, nicht mitzumachen. Denn diejenigen, die ihre momentane Tätigkeit nicht unterbrechen wollen, erzeugen durch die Geräusche ihres Tuns eine bunte akustische Umwelt für die Lauschenden.

 

 

4. Einen Raum der Stille einrichten

Bis hier ging es viel darum, die Wahrnehmung des Subjekts qualitativ im Sinne einer Sensibilisierung der sinnlichen Aufnahmefähigkeit zu verändern. Solche Sensibilisierungsprozesse gehen gewöhnlich einher mit einem Wandel im Bewusstseinsraum des Wahrnehmenden hin zu Entspannung (nicht im Sinne von Schlaffheit, sondern von Wohlspannung), rezeptiver Offenheit, Achtsamkeit, einer gewissen Form von Absichtslosigkeit, der Abnahme von diskursiven Gedanken, Immersion, Präsenz im Hier und Jetzt sowie – vielleicht als wichtigstem Punkt – einem Zustand von innerer Stille. Ein solcher Zustand ist für das Musizieren hochgradig relevant, stellt er doch – metaphorisch gesprochen – jene weiße Leinwand dar, auf die der Musiker zunächst vorgestellt und dann real Töne, Klänge und Geräusche malt.

 

Nun kann man natürlich nicht nur innere Stille herbeiführen, sondern genauso auch im Außen, auf der Seite objektiver Gegebenheiten Zonen der Stille erzeugen, indem man die real vorhandene akustische Umwelt im Musizierlernhaus moduliert und gestaltet. Kann innere Stille als potenziell überall und jederzeit realisierbar angesehen werden (selbst in der lautesten Umgebung), weil sie allein vom Geisteszustand und der Wahrnehmungsqualität des Subjekts abhängt, zeigt sich äußere, also physikalische Stille abhängig von seltenen landschaftlich-geografisch-zeitlichen Begebenheiten (Abwesenheit von Zivilisation und Naturgeräuschen) oder eben von zu diesem Zweck extra eingerichteten Räumen.

 

Ein Raum der Stille im Musizierlernhaus wäre nun ein solcher Raum äußerer Stille. Dieser extra eingerichtete Raum kann bis auf ein paar Sitzgelegenheiten leer sein. Akustisch ist er so gestaltet, dass er zwar möglichst wenig Schall von seinen Wänden reflektiert, aber der Hörenden dabei akustisch nicht als „tot“ erscheint wie so mancher überingenieurte Tonstudio-Aufnahmeraum. Als Orientierung kann jeder überdurchschnittlich ruhige Landstrich in der Natur dienen, bei dem das lauschende Ohr sich (fast) grenzenlos in die Weite tasten kann, ohne auf eine „Mauer“ aus Geräusch oder schallabsorbierendem Dämmmaterial zu stoßen. Ein optimal designter Raum der Stille würde diese (Natur)Erfahrung zumindest ansatzweise in just ein Haus transferieren, wo es eigentlich um die Produktion von Klängen geht. Die kann eine Bereicherung für jeden mit der Produktion von Klängen befassten Menschen sein.

 

 

5. Klanginstallationen und akustische Kunstwerke im Haus installieren

Auch die klangarchitektonische Gestaltung des Hauses, seiner Inneneinrichtung sowie der Außenanlage stellt einen wichtigen Baustein im Vorhaben dar, das Hören ins Zentrum eines Musizierlernhauses zu rücken. Neben einer – im Falle eines Neubaus – sauberen Planung von Raumgrößen, Wandwinkeln, Boden- und Deckenmaterial durch einen im Idealfall musizierpädagogisch bewanderten Akustiker und den im Haus tätigen Lehrenden sowie der Anschaffung von gut klingenden und vielleicht sogar explizit bespielbaren Möbeln, sind Klanginstallationen, Klangkunstwerke, Klangobjekte und von Schülern und Lehrerinnen erstellte Ausstellungen von bildender Kunst in Verbindung mit Musik und Sounddesign wichtige Elemente einer solchen klanglichen Gebäudegestaltung. Hier sind einige konkrete Vorschläge dazu:

  • Mittels Bewegungsmeldern oder 3D-Bewegungsscannern reaktionssensibel konstruierte Klanginstallationen entwerfen, die beispielsweise in geeigneten Transitbereichen des Hauses (einem Flur oder dem Foyer) Interaktiv ausgelöste Klänge produzieren, und so das rein funktionale Hindurchgehen zu einer musikalischen Spielerfahrung machen.3
  • Begehbare, auf Körpergewicht reagierende elektronische Klaviertastaturen oder Einzeltonfelder, beispielsweise in der Anordnung einer Knopfharmonikatastatur, auf dem Fußboden platzieren.4
  • Klanginstallationen zur Musikalisierung von Treppen anbringen.5 Diese mit vierteljährlich wechselnden Audiosamples verschiedenster Tonleiterskalen bestücken, die von Schülerinnen selber eingespielt werden. Nach Möglichkeit druckdynamische Sensoren verwenden, damit eine ausdrucksstarke Lautstärkesteuerung der einzelnen Samples über die Schrittdynamik erzeugt werden kann.
  • Einen digitalen Klangspieltisch nach Vorbild des reactable6 oder Rhythmusradars7 anschaffen und beispielsweise mit im Haus und der Umgebung gesampelten Klängen bestücken.
  • Skulpturale Geräuschkunstwerke bei bildenden Künstlern der Region in Auftrag geben, die extra für einen bestimmten Bereich im Haus geschaffen werden.
  • Mit Schülern Klanginstallationen für bestimmte Bereiche des Hauses entwerfen, selber bauen und eigenhändig installieren. Zum Beispiel eine technisch unaufwendige, nicht interaktive Klanginstallation an der Eingangstür des Hauses, die den Besucher mit einer leisen aber überraschenden Soundatmo empfängt. Die entsprechende Audioproduktion sollte ebenfalls von Schülern und Lehrerinnen gemacht werden.
  • Gut klingende oder sogar auf das Bespielen hin konstruierte Einrichtungsgegenstände (Tische, Stühle, Geländer etc.) anschaffen oder selber bauen.
  • Eigene Audioproduktionen für im Haus aufgehängte Gemälde oder Fotos produzieren, diese dann per fest neben dem Kunstwerk installiertem Audioplayer nebst Kopfhörer der Betrachterin verfügbar machen. Oder sie – falls instrumental spielbar – in einem eigenen Wandelkonzert im Musizierlernhaus direkt vor den entsprechenden Kunstwerken live aufführen.
  • Für den Außenbereich: Begehbare Xylophone, klingende Hüpfkästchen, bespielbare Installationen mit Klangröhren etc. installieren.
  • Für die Architektur des gesamten Gebäudes oder einzelner Räume speziell komponierte Musik oder Konzeptkompositionen anfertigen und live aufführen. Konzertante Aufführungen, Konzeptimprovisationen oder Musikperformances durchführen, die das gesamte Haus zu einem großen Konzertsaal werden lassen oder es explizit zum Resonanzraum umfunktionalisieren.8

So kann das Haus selbst beziehungsweise seine Einrichtung oder Ausstattung zu einem Klangkörper werden, der das Hören auf ganz greifbare Art und Weise vielfältig und teilweise interaktiv anregt. Zudem knüpft man einen Bezug zur bildenden Kunst, der weit über das Thema Hören hinaus Perspektiven fürs künstlerische Gestalten in Verbindung von Musik und bildender Kunst beziehungsweise Klang und Design eröffnet.

 

 

6. Akustische Unterrichtsmaterialien produzieren und einsetzen

Kaum etwas kann das musikbezogene Hören so sehr bilden, wie das Heraushören unbekannter Musikstücke von Aufnahmen mit dem Ziel, sie unmittelbar aus dem Gehör auf dem eigenen Instrument zu spielen. Dieses Lernprinzip ist vor allem in der Jazz- und Popmusik beheimatet. Jazzmusiker notieren sogar Soli berühmter Musiker aus einer Aufnahme, nicht nur um sie selber zu spielen, sondern auch, um sie musikalisch zu verstehen, wofür das eigene Notat sowohl Hilfe als auch Lakmustest ist.9 Eigentlich ist der Versuch, etwas Gehörtes auf dem eigenen Instrument nachzuspielen die naheliegendste Form des Musizierenlernens: Es geht um Musik, die mich beim ersten Hören direkt angesprochen hat, die ich mag und spielen will; es hat etwas aufregendes, spielerisch-experimentelles an sich, erzeugt eine positive Spannung, die mich intrinsisch motiviert auf ein Gelingen hinsteuern lässt; es geht um meine persönliche musikalische Umwelt, die ich mir hörend und spielend aneigne, und somit auch um meine musikalische Sozialisation, die ich dadurch autonom gestalte; es braucht keinerlei Notenmaterial, das ich erst besorgen müsste, bevor ich anfangen kann – nur mich, mein Gehör und mein Instrument. Leider spielt im klassischen Instrumentallernen diese Herangehensweise an Musik so gut wie keine Rolle, was in meinen Augen ein völlig unnötiges Ignorieren einer hervorragenden Möglichkeit darstellt, Hören und Spielen nicht nur im Rahmen instrumentaler Übe- und Lernprozesse, sondern im Hinblick auf alles musizierbezogene Handeln eng ineinander zu verzahnen. Dies gilt es zu ändern.

 

Wenn nun Musikerinnen sich ein Musikstück erarbeiten, indem sie es heraushören, geschieht dies fast immer anhand von Originalaufnahmen. Selbst in Jazz und Pop ist der Einsatz extra zum Zweck des Heraushörens hergestellter Hörvorlagen wenig verbreitet, auch weil es diese so gut wie nicht gibt. Nun lassen sich heutzutage durchaus softwarebasierte Hilfsmittel zum Heraushören einer Audioaufnahme einsetzen: Durch einen mit den entsprechenden Features ausgestatteten Player kann eine Musikdatei verlangsamt abgespielt oder um ein paar Halbtöne transponiert werden, ohne dass die Audioqualität zu sehr darunter leidet. Diese Hilfen beziehen sich jedoch nur auf die Parameter Tempo und Tonhöhe. Die kompositorische Faktur sowie die produktionstechnische Realisation bleiben unberührt und in genau jener komplexen Form erhalten, die von Komponistin, Musikerin sowie Produzentin beabsichtigt war.

 

Daher schlage ich hier nun vor, dass Musizierlehrende zum Zweck des Heraushörens produzierte Aufnahmen selber herstellen. Ziel wäre ein akustisches Unterrichtsmaterial, das dem Musizierlernenden bei der Tätigkeit des Heraushörens entgegenkommt, so den Prozess des abwechselnden und aufeinander bezogenen Hörens und Spielens erleichtert und insgesamt einen niederschwelligen Zugang zu dieser Art der Erarbeitung von Musik schafft.

 

Eine zentrale Rolle spielt dabei das Prinzip der didaktischen Reduktion. Es bedeutet, ein bestehendes Musikstück musikalisch und spieltechnisch so zu vereinfachen, dass es für Spieler, die das Original (noch) nicht spielen können, spielbar wird. In unserem Fall bedeutet es jedoch, dies nicht um des einfacheren Spielens, sondern um des besseren Heraushörens Willen zu tun. Entsprechend kann auch eine verlangsamte Einspielung geeigneter sein als die bloß in der Geschwindigkeit reduzierte Wiedergabe einer Originalaufnahme, weil tonale Nuancen, Tonübergänge, Atemzyklen etc. an das langsame Tempo adaptiert und entsprechend organischer zu Gehör gebracht werden. So verstanden ist eben auch die Einspielung eines Stückes in langsamerem Tempo eine Form von didaktischer Reduktion, weil das Heraushören Ziel der Maßnahme ist. Hilfreich ist es in jedem Fall, mehrere unterschiedlich reduzierte Versionen von einem Stück zu produzieren, beispielsweise eine absolut elementare Version (die nicht weiter reduziert werden kann, ohne das Stück künstlerisch zu entstellen), eine einfache, eine mittelschwere sowie die Originalfassung mit Trackmarkern, die das Stück in gut bewältigbare Hörabschnitte gliedern. Für alle Formen von didaktischen Reduktionen muss jedoch oberste Priorität sein, trotz einer mehr oder weniger starken Vereinfachung den kompositorischen Kern und künstlerischen Reiz des Werkes beizubehalten. Dieser Punkt sollte nie missachtet werden.10

 

Ist nun ein solches akustisches Unterrichtsmaterial mit verschieden schweren Versionen eines Stückes hergestellt, können Lernende ihren Lernprozess mit der sehr einfachen Fassung eines Stückes beginnen, wenn sie insgesamt noch nicht fortgeschritten auf ihrem Instrument sind. Fortgeschrittene, die ihr Instrument zwar schon spielen können, aber noch keine Erfahrung mit dem Heraushören von Stücken gemacht haben, finden in den vereinfachten Versionen eine gute Möglichkeit, ihre Hörfähigkeiten nachzuentwickeln und so den eigenen Spielfähigkeiten allmählich anzugleichen, ohne dabei auf abstrakt-musikferne Gehörbildungsübungen bar jeden Bezugs zum eigenen Instrument zurückgreifen zu müssen. Im Sinne eines Spiralcurriculums können Lernende nach einiger Zeit zum selben Stück zurückkehren, um sich übend der nächstschweren Version oder aber der Originalfassung zu widmen.

 

Für den hier skizzierten Lernvorgang des spielenden Heraushörens von Musik aus Aufnahmen scheint mir eine erweiterte Form besonders sinnvoll zu sein. Sie besteht aus sechs Schritten, die sowohl nacheinander als auch in freier, sich wechselseitig verstärkender Reihenfolge ablaufen können:

  1. Die Hörvorlage eines Stückes fürs eigene Instrument genau anhören,
  2. Passagen daraus nachsingend, nachsummend oder innerlich nachhörend memorieren,
  3. das Gehörte aus dem Gedächtnis versuchen nachzuspielen,
  4. dabei seine kompositorische Machart bewusst nachvollziehen,
  5. alles selber notieren,
  6. schließlich im kompositorischen Stil des Stückes improvisieren beziehungsweise Bruchstücke seines musikalischen Materials für eine eigene Improvisation nutzen.

Ein solcherart umfassendes Heraushören, flankiert vom eigenen Notieren und Improvisieren, kann in kürzester Zeit eine enge Verbindung von Hören, Spielen und Verstehen beim Lernenden bewirken. Sie wird umso stärker und selbstverständlicher, je öfter man entsprechend Musik interpretierend, improvisierend und notierend heraushört.

 

Allgemein gesprochen: Für einen Musizierlernort, in dem das Hören im Zentrum stehen soll, erscheint es mir wichtig, dass dort möglichst oft notenfrei musiziert wird, ohne dass Noten in irgendeiner Form „verteufelt“ werden. Wo uns in der Popmusik zuweilen eine irrrationale Scheu vor Noten begegnet, ist das klassische Musizieren viel zu sehr auf Noten fixiert. Bei Ersterem besteht jedoch jederzeit die Möglichkeit, sich organisch weiterzuentwickeln, weil die Basis in Form einer grundlegenden Hörorientierung stimmt. Bei Letzterem befindet sich – bildlich gesprochen – der Zug zuweilen nicht bloß auf dem falschen Gleis, sondern ist dazu noch in falscher Richtung unterwegs. Eine Kehrtwende einzuleiten, oder um ein anderes Bild zu bemühen, die Sache wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, ist zwar möglich, aber doch kein einfaches Unterfangen mehr.

Insgesamt gesehen könnte eine sinnvolle Kombination des Besten aus beiden Welten – dem notationsbasierten sowie dem auditiven Lernen – ein erstrebenswertes Ziel sein. Akustische Unterrichtsmaterialien würden wesentlich dazu beitragen, es zu erreichen.

 

 

7. Selbstständiges Transkribieren und Arrangieren fördern

Eng verwandt mit dem Prinzip des Heraushörens eigens produzierter Hörvorlagen ist die Tätigkeit des Transkribierens und Arrangierens, die jedoch noch einige weitere Facetten genauen musikbezogenen Hörens zum Vorschein bringt.

 

Beim Transkribieren schreibt man Solostücke anderer Instrumente oder Ensemblestücke gleich welcher Besetzung für das eigene Instrument so um, dass sie solistisch oder im Duo auf dem eigenen Instrument spielbar sind. Die Bandbreite reicht dabei von klavierauszugsartigen Adaptionen, die versuchen, das Original vom Klangeindruck her möglichst unverändert auf ein anderes Instrument zu übertragen, bis zur bearbeiteten Transkription, die das Original beim Übertragen kompositorisch verändert, ihm etwas musikalisch Neues hinzufügt und so die Transkribierende zur Co-Komponistin machen.

 

Des Weiteren gibt es noch das Arrangieren von Stücken gleichwelcher Provenienz für ein eigenes Ensemble, das entweder schon fest besteht oder sich zum Zweck des Spielens von ein oder zwei Stücken temporär aus Freunden, Mitschülern und/oder Lehrenden zusammensetzt. Da letztere Spontanensembles sich meist aus dem vor Ort bestehenden Pool an verfügbaren Musikerinnen bedienen, besitzen sie die reizvolle und gleichzeitig herausfordernde Eigenschaft, zum Teil völlig unübliche Besetzungen zu bilden. In jedem Fall ermöglicht das Arrangieren für ein Ensemble der Arrangierenden, sonore Wirkungen instrumentalspezifischer Klangfarben hörend kennen zu lernen und mit ihnen kreativ umzugehen.

 

Entscheidend ist hier nun, dass sowohl Transkriptionen fürs eigene Instrument als auch Arrangements für Ensembles von den Schülerinnen selbstständig angefertigt werden. Sie dürfen nicht aus der Feder des Lehrenden oder professioneller Arrangeure stammen und von diesem Notenmaterial dann bloß abgespielt werden. Es kommt auf die hörende Auseinandersetzung mit klingendem Material an: Im Fall einer Solo-Adaption beispielsweise ist viel hörendes Ausprobieren am Instrument nötig, um schließlich eine gut klingende und gleichzeitig spielbare Lösung zu finden. So verstanden bekommt das Transkribieren und Arrangieren die Funktion eines umfassenden Bildungsinhaltes, der gleichzeitig auch als Lernmethode und Lernziel in Erscheinung tritt.

 

Um solch ein anspruchsvolles Ziel zu erreichen (dass nämlich jede Schülerin ihre eigenen Arrangements für ihr Instrument oder Ensemble erstellt), müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen braucht es Lehrende, die im Bereich Transkription/Arrangement erfahren genug sind, um den Schülerinnen das entsprechende Handwerk zu zeigen beziehungsweise ihnen bei Bedarf unterstützend zur Seite zu stehen. Zum anderen sollte im Musizierlernhaus eine Transkriptions-, Arrangier- und Komponierwerkstatt in Gestalt eines eigenen Raumes vorhanden sein, in dem man Partituren am Computer erstellen oder mit Stift und Papier in Ruhe niederschreiben kann. Dieser Raum kann identisch sein mit einem für die Erstellung von Musikproduktionen ausgerüsteten Medienraum des Musizierlernhauses. Die Hardwareausstattung der Computerarbeitsplätze jedenfalls ist für beide Anwendungszwecke dieselbe.

 

 

8. Aspekte auraler Traditionen in die Lernkultur am Musizierlernhaus integrieren

Schaut man aus musizierpädagogischer Perspektive auf Kulturen der Welt, sticht ein wesentliches gemeinsames Merkmal sofort ins Auge: Ein Großteil des Lernens vollzieht sich über das Vormachen und Nachmachen.11 Dieses Prinzip eines imitatorischen Lernens am Modell tritt in mehreren Gestalten auf: In der formalen Variante als Nachahmung, die von einer Lehrperson bewusst gelenkt ist. In der informellen Variante als Nachahmung, die nebenbei, frei und ungelenkt, für die Lernende mal bewusst, mal unbewusst vonstatten geht. Und in einer nonformal-autodidaktischen Form als Nachahmung, die von einer Schülerin zwar bewusst und gezielt zum Zweck des eigenen Lernens eingesetzt wird, aber in dieser spezifischen Situation nicht durch eine Lehrperson veranlasst ist.

 

Allen Gestalten gemein ist der Fakt, dass sie schriftlos funktionieren, also nicht auf der Dekodierung von notierten Symbolen beruhen. Die Quelle für die Produktion von Klang ist hier Klang, das Vorbild für eine Musizierhandlung immer die konkrete Anschauung der Handlung selbst. Ein solcherart mimetisches Lernen basiert zudem auch auf visuellen Wahrnehmungseindrücken, bezieht also nicht nur das ein, was man hört, sondern auch das, was man sieht: Musikalische Ausdrucksgesten, instrumentale Spielgesten sowie die Spielbewegungen selbst können sich bei entsprechender Aufmerksamkeit analog auf den eigenen Körper übertragen, ohne den Umweg über verbale Anweisungen nehmen zu müssen.

 

Das Schöne am Lehren durch Nachahmung ist unter anderem, dass sowohl Schülerin als auch Lehrerin dabei gleichermaßen ausgiebig ihr Instrument spielen. Es ist ein Lernen im beiderseitigen Musizieren, das sich leicht, und oft automatisch, zu einem Lernen im musizierenden Spiel weiterentwickelt. Diese Unterrichtszeit ist also auch immer für die Lehrerin eine nützlich verbrachte Zeit, übt sie ihr Instrument währenddessen doch genauso wie die Schülerin.

 

Damit das Imitieren nicht zu einem blinden, automatenhaften Kopieren verkommt, sondern immer ein individuell angepasstes Adaptieren mit dem Ziel der Ähnlichkeit anstatt Gleichheit bleibt, sollte das Nachahmungslernen nicht monomethodisch angewendet werden: Allgemeine Erklärungen seitens des Lehrers sowie eine gemeinsame Reflektion der Erfahrungen und Wahrnehmungen der Lernenden sind wichtig! Vor allem Erklärungen sollten jedoch nicht während des Nachahmungsprozesses stattfinden, sondern ihm immer nach- oder zwischengeordnet sein, damit sie die Wahrnehmung beziehungsweise das nonverbale Sich-Einfühlen nicht durch eine Aktivierung diskursiver Denkprozesse stören. Denn beim imitierenden Lernen von instrumentalen Spielhandlungen eines anderen Menschen muss die Imitierende sowohl ganz bei ihrer nach innen gerichteten Körperwahrnehmung als auch bei ihrer nach außen gerichteten Wahrnehmung von Klang und visuellem Eindruck des Modells sein. In den meisten Fällen ist ein an der spezifischen Lernsituation orientiertes Hin und Her zwischen nonverbal-wahrnehmungsorientiertem Imitieren und verbal-kognitiver Reflexion wahrscheinlich am sinnvollsten.

 

Imitation nach Gehör (von Lehrerin zu Schülerin oder Schüler zu Schüler) und Mimesis an ein Modell sind wichtige künstlerisch-pädagogische Elemente, um das Hören ins Zentrum eines Musizierlernhauses zu rücken. Sie bewusst und phantasievoll in Unterrichtskontexten zu praktizieren und Schüler anzuregen, sie ausgiebig zu nutzen, wenn sie sich untereinander Dinge beibringen, kann auf vielfältige Art und Weise die Lernkultur im Musizierlernhaus bereichern.

 

 

9. Hörseminare anbieten

Ein Hörseminar ist die regelmäßige Zusammenkunft einer Gruppe von Menschen zum Zweck, gemeinsam Musik zu hören und sich anschließend über das Gehörte sowie die gemachten subjektiven Hörerfahrungen auszutauschen. Im „klassischen“ Fall gibt es eine Lehrperson, die alle Sitzungen plant und die zu hörende Musik allein auswählt. Teilnehmende befinden sich eher in einer passiv-rezeptiven Schülerrolle, die im Wesentlichen durch Zuhören und Aufnehmen gekennzeichnet ist. Diese Form eines einseitigen, weil auf die Lehrperson fokussierten Frontalunterrichts soll im hier gemachten Vorschlag eine substanzielle Erweiterung erfahren: Im Hörseminar am Musizierlernhaus ist jede Teilnehmerin gleichermaßen berechtigt und eingeladen, Musik mitzubringen. Ohne Begrenzung auf ein bestimmtes Genre kann jede Art von Musik zum Gegenstand des Hörens und Reflektierens gemacht werden. Vor allem geht es dabei um jene Musik, die die Mitbringende in ihrem bisherigen Musikhörleben besonders beeindruckt beziehungsweise berührt hat. Diese Erfahrung mit anderen Menschen zu teilen, ihr reflektorisch nachzugehen und ästhetisch nachzuspüren, ist Kerninhalt dieser Art von Hörseminar.

 

Eine Aufgabe ist dabei jedoch für jede Vorstellende Pflicht: Sie muss selber in das Musikstück einführen, es kurz vorstellen und benennen, was sie an ihm künstlerisch interessant oder emotional berührend findet, welche eigenen biografischen Verbindungen zu dem Stück bestehen, und was sie sonst noch über das Werk, den Komponisten, Interpreten und gegebenenfalls historischen Kontext weiß. Lang dauern muss diese Vorstellung keineswegs. Sie muss auch nicht, einem Expertenvortrag gleich, besonders „tiefschürfend“ sein. Ein solcher Anspruch würde nur eine unnötige Hemmschwelle errichten. Sie sollte für die anderen Teilnehmenden lediglich einige wenige Anregungen fürs Hören bieten und eventuell Perspektiven für das anschließende Gespräch eröffnen.

 

Bei diesem Gespräch, das sowohl sehr kurz als auch sehr lang sein kann, ist nun vor allem die Moderationskompetenz der Seminarleiterin gefordert. Sie sollte Sorge dafür tragen, dass jeder, der etwas sagen möchte, auch zu Wort kommt, damit die unterschiedlichen Höreindrücke jedes Einzelnen auch tatsächlich zum Vorschein kommen. Es geht darum, einen kommunikativen Raum zu schaffen, in dem sich jeder ermuntert fühlt, seine individuell-subjektiven Hörerfahrungen in Worte zu fassen, gerade auch dann, wenn dem Sprechenden das vermeintliche Fachvokabular fehlt. Die Seminarleiterin sollte musikalisch-inhaltliche Äußerungen zusammenführen und mittels ihres Fachwissens gegebenenfalls präzisieren. Wenn es aus Gründen der Vertiefung von Hörerfahrungen in der aktuellen Seminarsituation sinnvoll erscheint, sollte sie ebenfalls ein wiederholtes Hören der Musik im Ganzen ermöglichen oder das Nachhören einer einzelnen Passage aus dem Stück vorschlagen.

 

Neben diesem inhaltlich völlig offenen Grundformat können auch Sitzungen zu einem bestimmten Thema oder musikalischen Genre angesetzt werden. Mögliche Themen könnten sein: traditionelle Musik aus Indien, Neo-Folk, Hamburger Schule, die Sun-Records Ära in Memphis, symphonische und vokale Trauermusik, Kraftwerk, Einblick in das Werk von Karlheinz Stockhausen usw. Solche inhaltlich fokussierten Sitzungen bieten eine hervorragende Gelegenheit, einen bislang unbekannten Teilbereich der weiten Welt der Musik detaillierter beziehungsweise umfassender kennenzulernen. Die Musikzusammenstellung für solch eine thematisch umgrenzte Seminarsitzung sollte von jenem Seminargruppenmitglied übernommen werden, das sich am besten mit dem Thema auskennt.

 

Wenn man Hörseminare also entsprechend gestaltet, bieten sie die Möglichkeit

  • neue Musik kennen zu lernen,
  • bekannte Musik neu kennen zu lernen,
  • die Erfahrung zu machen, zunächst unbequem erscheinende Musik schätzen zu lernen, indem man die biografische, emotionale oder kognitive Verbindung eines anderen Seminarteilnehmers als „Beziehungsbrücke“ zu dieser Musik nutzt,
  • das Hören von kompositorischen, interpretatorischen und produktionstechnischen Feinheiten zu entwickeln,
  • ästhetische Urteilsfähigkeit aufzubauen,
  • Anregungen fürs eigene Musizieren sowie die Auswahl zukünftig zu lernender Stücke zu bekommen,
  • die generelle Bedeutung und Funktion von Musik für Menschen zu studieren,
  • die eigene Liebe zur Musik zur Sprache zu bringen und mit anderen zu teilen,
  • eine Intensivierung des Hörens durch das soziale Eingebundensein in eine Gruppe zu erfahren.

Meiner Einschätzung nach ist die potenzielle Bedeutung von Hörseminaren für das Musikhören an sich, aber auch für das Ziel einer stilistisch vielfältigen Musizierkultur im Musizierlernhaus gar nicht hoch genug einzuschätzen. Denn viele Menschen – unter ihnen auch studierte Musiker – kennen aus der grenzenlos vielfältigen, unbeschreiblich reichen Welt der Musik nur einen kleinen Ausschnitt und aus diesem kleinen Ausschnitt wiederum nur wenige Werke. Zudem gibt es Menschen, die sich ihr gesamtes Musikhörleben lang zwar intensiv, aber nur mit einem einzigen musikalischen Genre beschäftigen. Beides stellt auf je eigene Art und Weise einen Mangel an ästhetisch-materialer Bildung dar, der sehr schade ist, nicht nur weil – positiv gewendet – betroffene Menschen viel potenziellen Hörgenuss verpassen, sondern auch weil dieser Mangel mit negativen Folgeerscheinungen einhergehen kann. Menschen, die wenig Musik kennen beziehungsweise ihr Interesse ausschließlich auf einen Musikstil richten, sind in Gefahr, eine musikbezogene Provinzialität zu entwickeln, dessen Folge der Aufbau von Vorurteilen gegenüber fremder Musik und nicht selten auch eine pauschale Ablehnung ganzer Genres sein kann. So werden künstlerische Grenzen gesetzt und zementiert, und eine musikkulturelle Gegenwart beschworen, die nicht sein will, was sie in Realität längst ist: eine historisch, geografisch und ästhetisch hochgradig polystilistische Kultur, in der es fast schon grotesk anmutet, einen Stil über einen anderen zu erheben oder gar den ästhetischen Alleinherrschaftsanspruch eines Stiles zu proklamieren. Gute Musik ist nicht genreabhängig. In jedem Genre gibt es großartige, gute, mittelmäßige und schlechte Musik. Man kann diese jedoch nur erkennen, wenn man sich in die musikalische „Sprache“ und die künstlerischen Besonderheiten des Genres einhört, musikalische Qualitätsurteile also aus der künstlerischen Logik der jeweiligen Stilistik heraus tätigt.

 

Auf Seiten des hörenden Subjekts braucht es dazu künstlerische Offenheit sowie die Fähigkeit, eigene musikalische Vorlieben als relativ und erweiterbar anzusehen. Institutionsseitig braucht es eine Haltung musikkultureller Weltläufigkeit und eine strukturelle Durchlässigkeit, die Begegnungen zwischen unterschiedlichen musikalischen Genres fördert. Ist beides gegeben, eignen sich die im Musizierlernhaus Beteiligten mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz von selbst ein großes Hörrepertoire an. Den Aufbau eines solcherart weiten, für jeden Menschen leicht unterschiedlichen Hörrepertoires bestmöglich zu unterstützen, sollte meiner Ansicht nach von jedem Musizierlernhaus als zentrale Herausforderung angesehen werden.

 

 

10. Improvisieren, improvisieren und nochmals improvisieren

Improvisation bezeichnet das zeitgleiche Erfinden und Spielen von Musik. Als Improvisator bin ich also nicht nur für das Wie, sondern auch für das Was meines eigenen Musizierens zuständig. Ganz wesentlich lebt das Improvisieren von einem intakten Regelkreislauf, der daraus besteht, dass der Improvisierende muszierend auf das reagiert, was er soeben selber gespielt hat, es weiterführt, aufbaut, kontrastiert, moduliert, perpetuiert, abbricht oder organisch zu einem Ende bringt. Im Zentrum dieses Regelkreislaufes steht das Hören: Innerlich hörend antizipiere ich, was klanglich kommen soll, äußerlich hörend reagiere ich auf das, was gerade erklungen ist. In gelungenen Improvisationsmomenten findet dieses antizipative und reaktive Hören zeitgleich statt und stellt eine der anspruchsvollsten, vielleicht sogar die anspruchsvollste Art musikbezogenen Hörens dar.

 

Musizierlernumgebungen, in denen das Hören ins Zentrum rücken soll, müssen also für eine reiche Improvisationspraxis sorgen. Mehr noch: Das Improvisieren sollte dem Interpretieren quantitativ mindestens ebenbürtig zur Seite stehen, wenn nicht gar einen größeren Anteil einnehmen – zumindest in den ersten Jahren des Musizierenlernens eines Menschen. Dies tut es im Bereich klassischer Musizierpraxis leider sehr selten, was wesentlich zum durchaus realen Klischee eines klassischen Musikers beigetragen hat, der solang gut spielt, wie eine Partitur vor ihm liegt, aber nichts künstlerisch Bedeutsames mehr hervorzubringen im Stande ist, sobald keine Noten zur Hand sind. Allerdings ist auch in der Popmusikpraxis, die häufig unreflektiert mit dem vielleicht improvisationsaffinsten Genre des Jazz gleichgesetzt wird, ein hoher Improvisationsanteil im Spiel nicht zwingend die Regel.

 

Nun ist am Interpretieren an sich nichts schlecht. Es ist genau wie das Improvisieren ein wunderbarer, künstlerisch spannender Modus des Muszierens. Nur bildet sich das Hören in der Tätigkeit des Interpretierens – zumal wenn diese ihren Schwerpunkt auf eine vorgeblich „werktreue“ Reproduktion des Notentextes legt – schwerer beziehungsweise weniger umfassend aus, als dies beim Improvisieren der Fall ist. Interpretieren und Improvisieren können jedoch sehr umfangreich und ergiebig aufeinander bezogen werden und sich gegenseitig befruchten. Dazu müssten nur alle Beteiligten erst einmal den Improvisationsanteil innerhalb unserer Musizierlernkultur deutlich erhöhen. Daher lautet die unmissverständliche Forderung für ein Musizierlernhaus, in dem das Hören im Zentrum stehen soll: Improvisieren, improvisieren und nochmals improvisieren!

 

 

11. Nicht angeleitete Kammermusik/Bandarbeit initiieren

Das Zusammenspiel mit anderen Musikerinnen kann ein hervorragendes Biotop für die umfassende Ausbildung musikbezogenen Hörens darstellen. Da es dabei im Wesentlichen darum geht, das Hören auf das Selbstgespielte mit dem Hören auf die Klänge der anderen Musiker zu verbinden und auf beides mit einer permanenten, stets flexiblen Adaption des eigenen Spielens zu reagieren, werden fast von selbst hochkomplexe Regelungs- und Rückkopplungsschleifen zwischen Wahrnehmen und Handeln angeregt. Das Hören entwickelt sich in Wechselwirkung parallel mit und zu der eigenen Spielfähigkeit. Diese Art des Hörens in kammermusikalischen Settings ist bei solistischem Musizieren so nicht ohne Weiteres in Gang zu bringen beziehungsweise durch selbiges zu schulen.

 

Meine These an dieser Stelle ist nun aber: Dieses Bildungspotenzial kammermusikalischen Musizierens (sowie viele weitere Vorteile, die hier ungenannt bleiben) kommt vor allem dann zur Geltung, wenn es sich um nicht angeleitete, künstlerisch autonome und probentechnisch basisdemokratische Ensemblearbeit handelt. Diese unterscheidet sich insofern von angeleiteter Ensemblearbeit, als das bei ihr die Verantwortung für das künstlerische Ergebnis zu 100 Prozent bei jedem einzelnen Ensemblemitglied liegt. Wenn Spieler die volle Verantwortung haben für das was sie spielen, muss auch ihr Hören, ihr Aufeinanderhören ein verantwortungsvolleres sein. Ja, es erhält dadurch erst wirklich einen Sinn, weil vom genauen Hören jedes Einzelnen abhängt, welche künstlerische Qualität das Zusammenspiel hervorbringt – nicht vom genauen Hören der Leiterin, einer zentralen, zuweilen zentralistischen, ununterbrochen anwesenden Instanz in Person einer Dirigentin beziehungsweise Probenpädagogin, die für das entscheidende Kontrollhören allein zuständig ist und nach jedem Spieldurchgang entsprechend Anweisungen erteilt, wer aus dem Ensemble etwas wie zu verbessern hat.

 

Nun ist es natürlich nicht so, dass bei angeleiteten Ensembles kein Hören der Mitglieder auf sich selbst und aufeinander stattfinden würde; gute Ensembleleiterinnen regen genau dies ständig an. Nur ist die Verantwortung dafür, dass solch ein intensiv-produktives Hören stattfindet eben immer mindestens eine geteilte. Und die Möglichkeit, eigene künstlerische Ideen der Spielenden auszuprobieren ist begrenzt bis unerwünscht, geht es doch am Ende um die künstlerische Vision der Leiterin.12

 

Je größer ein Ensemble ist, desto eher scheint es, als bestünde allein aus organisatorischen Gründen eine zwingende Notwendigkeit der Zentralisierung kreativer Prozesse: Wenn jeder etwas zu sagen hätte – so die Befürchtung –, würde das Proben ewig dauern und im besten Fall am Ende ein schlechter Kompromiss in Gestalt des kleinsten künstlerischen Nenners aller Beteiligten herauskommen. Diese Befürchtung ist zur Hälfte verständlich, zur anderen falsch, gibt es doch inzwischen beispielsweise genug Orchester, die nur projektweise mit Dirigentin arbeiten, ganz ohne Dirigent spielen, die Probenarbeit rotierend auf alle Schultern des Orchesters verteilen und basisdemokratische Grundsätze auf künstlerische Entscheidungsprozesse erfolgreich anwenden. Trotzdem ist es richtig, dass der Aufbau von Strukturen künstlerischer und organisatorischer Selbstorganisation bei großen Ensembles eine größere Herausforderung darstellt als bei kleinen. Entsprechend ist mein Vorschlag, zur Förderung des musikbezogenen Hörenlernens vor allem nicht angeleitete Ensemblearbeit zu initiieren, verknüpft mit der Notwendigkeit, dies zunächst in kleineren Besetzungen zu tun.

 

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit kommen für mich folgende Formationen in Frage: Pop/Rockband, Jazz-Combo, Acapella-Ensemble, Volksmusikgruppe, Weltmusikband, Brassband, Barockensemble, Improvisationskollektiv, Duo/Trio/Quartett/Quintett jeglicher Musikgenres sowie klein besetzte Kammerorchester. Wichtig ist in erster Linie, dass die verschiedenen Instrumente innerhalb des Ensembles solistisch besetzt sind, damit das Hören auf sich selbst nicht durch den stimmenverdoppelnden Nebenmann erschwert wird und die Verantwortung für die Qualität der eigenen Stimme ganz bei einer Person liegt. Und dass die Ensemblegröße der künstlerischen Hör- und zwischenmenschlichen Kommunikationsfähigkeit seiner Mitglieder angepasst ist. Je stärker ausgebildet diese beiden Fähigkeiten sind, desto größer kann das Ensemble sein.

 

Ziel ist am Ende, dass auch in angeleiteten Großbesetzungen wie Orchestern und Chören eine solche Kultur kammermusikalischen Hörens und Spielens das Musizieren jedes einzelnen Mitgliedes bestimmt.13 Der Aufbau solcher Fähigkeiten ist meiner Vermutung nach jedoch in nicht angeleiteten, autonom und basisdemokratisch probenden Kleinensembles viel einfacher, tiefreichender, nachhaltiger, für den einzelnen Spieler erfüllender und sinnstiftender zu realisieren.

 

 

12. Vielfältige Möglichkeiten für Musikproduktion schaffen

Selber seine eigene Musik am Computer aufzunehmen, zu komponieren, zu arrangieren, zu mischen und zu mastern kann eine der ergiebigsten Quellen für die Bildung musikbezogenen Hörens sein. Leider wird sie von musikschulischen Institutionen bisher wenig genutzt. In der klassischen Musizierausbildung fremdelt man – so scheint mir – gegenüber jeglichen Aspekten von Musikproduktion stark, vielleicht weil die jahrzehntelange Tradition der akademischen Tonmeisterei als eigenständigem Expertisebereich noch in den Köpfen der meisten Musiker steckt. Im Sinne einer hierarchischen Trennung von künstlerischer Hervorbringung und technischer Reproduktion kann man sich als Ausführender bis heute auf studierte und spezialisierte „Techniker“ verlassen, die (fast) alles rund um eine Aufnahme für einen erledigen. In Pop und Jazz wiederum ist Musikproduktion etwas, das zwar viele tun, aber nur wenige bewusst mit dem eigenen Lernen am Instrument verknüpfen oder in seinen Auswirkungen auf eine Bildung des Hörens reflektieren.

 

Welche Vielfalt an hörbezogenen sowie instrumentalen Lernperspektiven nun in der Tätigkeit des Musikproduzierens steckt, habe ich an anderem Ort darzulegen versucht: Musikproduktion, das vernachlässigte Stiefkind unserer Musizierlernkultur.

 

 

 

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1 Vgl. R. Murray Schafer: Anstiftung zum Hören – 100 Übungen zum Hören und Klänge Machen, Wiesbaden 2003

 

2 Das Streamingportal Tidal beispielsweise geht hier mit gutem Beispiel voran: Die Unternehmensphilosophie ist explizit auf Fairness, Musikerfreundlichkeit und künstlerische Nachhaltigkeit hin angelegt (http://tidal.com/soc).

 

3 Vgl. beispielsweise Hans Ottes Installation Klanghaus in der Weserburg, Bremen (http://www.weserburg.de/index.php?id=236, Zugriff am 13.09.2017).

 

4 https://www.youtube.com/watch?v=OFZeUQo_oRQ, Zugriff am 13.09.2017

 

5 Vgl. unter anderem das von und Leonore Gäbel und Lars Ponath entworfene Steptronome (https://www.youtube.com/watch?v=14g7G6Wodw4, Zugriff am 13.09.2017)

 

6 http://reactable.com, Zugriff am 13.09.2017

 

7 http://www.toccarion.de/toccarion/stationen/item/show/detail/rhythmus-radar-1

 

8 Vgl. die musikalische Bespielung des von Peter Zumthor entworfenen Schweizer Pavillons Klankörper bei der EXPO 2000 in Hannover (https://vimeo.com/138021807 sowie http://www.floornature.de/p-zumthor-schweizer-pavillon-an-der-expo-2000-von-hannover-4032/) oder das 1982 von John Cage im Bremer Überseemuseum realisierte Performance-Konzept A house full of music.

 

9 Ähnlich wirkungsvoll für die Ausbildung musikbezogenen Hörens ist die dem Heraushören vom Tonträger verwandte Variante, in der Vergangenheit schon einmal gehörte Musik allein aus dem Gedächtnis heraus zu spielen. Also das Spiel aus einer in der eigenen Vorstellung stattfindenden Klangerinnerung zu gestalten, ohne dass man diese Musik jemals zuvor gespielt hätte – und entsprechend auf abgespeicherte Bewegungsmuster zurückgreifen könnte – oder sie mit der Perspektive des eigenen Spielens gezielt herausgehört hätte.

 

10 Vgl. Andreas Doerne: Didaktische Reduktion – Ein Plädoyer für die Kunst der Vereinfachung, in: Üben & Musizieren, 6/2012, S. 8

 

11 Schön zu beobachten unter anderem in dem Dokumentarfilm Growing into Music der britischen Musikethnologen Lucy Durán, Geoff Baker und Nicolas Magriel (http://growingintomusic.co.uk).

 

12 Natürlich kann von Musikern aus der Wunsch bestehen, von einer künstlerisch erfahreneren Person geführt zu werden, sich ihr um einer bewegenden künstlerischen Gemeinschaftserfahrung willen unterzuordnen. Auch dieser Wunsch ist gerade im Kontext klassisch-romantischer Orchesterarbeit völlig legitim. Trotzdem ist meine Befürchtung, dass das Hörenlernen mit solch einer Haltung weniger ergiebig ausfällt, als in Kontexten nicht angeleiteter Ensembles.

 

13 Simon Rattle benennt seine Vision eines idealen Orchesterspiels folgendermaßen: "Wenn es gelingt, sind wir ein riesiges Kammerorchester. Eigentlich messe ich als Dirigent ja Zeiteinheiten und sorge für Effektivität. Wenn wir vom Geist der Kammermusik beseelt sind, bin ich etwas anderes: Ich sorge dafür, dass die Musiker einander beim Spielen verstehen." (Christiane Peitz: Der Sound des 21. Jahrhunderts – Mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern in Frank Gehrys Walt Disney-Konzerthalle in Los Angeles, in: Tagesspiegel vom 27.11.2003, Nr. 18313, S.25)