Erfolgskrierium "Lernen" für Lehrende

in Lerngemeinschaften

 

von Stefan Goeritz

 

 

Immer wieder frage ich meine Kolleginnen und Kollegen an unserer Musikschule, wie sie ihren beruflichen Erfolg persönlich bemessen. Anhand welcher Kriterien kann man erkennen, ob man an einer Musikschule erfolgreich gearbeitet hat?

 

Daraufhin entwickeln sich oft Gespräche darüber, nach welchen Kriterien Erfolge der Schülerinnen und Schüler gemessen werden können. Instrumentale Fertigkeiten, Persönlichkeitsentwicklung, musikalische Allgemeinbildung, Körper- und Atembewusstheit seien Lern- und Lehrziele, deren graduelles Erreichen darüber entscheide, wie erfolgreich die Lernenden seien, und im Kurzschluss damit auch die Lehrenden, die Lehrkräfte. Wo viel gelernt werde, werde auch gut gelehrt, so einfach sei das.

 

Aber stimmt das auch im Umkehrschluss? Wo nicht viel gelernt wurde, wurde schlecht oder gar nicht gelehrt? Eine schwierige Situation für Lehrkräfte an Musikschulen: Immer ist ihr eigener Erfolgsbegriff abhängig davon, ob andere, nämlich die Schüler, erfolgreich sind. Und das meist gemessen an den Lehrer-Maßstäben für gelungenes Musizieren, nicht einmal daran, ob sich Schüler selbst für erfolgreich halten …

 

In Wirklichkeit ist die Liste der Ursachen für (scheinbare) Misserfolge der Lernenden lang. Angefangen mit den allgegenwärtigen schulischen Belastungen bis hin zur völligen Abtötung klanglicher Inspiration durch die Permanenz von Lärm und Geräusch, ständige Anwesenheit in sozialen Einheiten, die im Jetzt aber nicht im Hier stattfinden, etc. Die Lebensumwelt von Kindern und Jugendlichen ist viel zu komplex, um sich als Musiklehrer durch eine 1:1-Rechnung im Ursache-Wirkungsprinzip als all(ohn)mächtig zu klassifizieren und dies gilt besonders auch dann, wenn man sich durch pädagogische und methodisch-didaktische Professionalität um die Einhaltung von hohen Qualitätsstandards beim Lehren bemüht. Denn letztlich erhöht dies nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Lernerfolgen, sondern auch die innere Abhängigkeit von ihrem Eintreten. Ein erhöhter Energieeinsatz sollte ja schließlich auch mit messbarem Ertrag belohnt werden!

 

Dieser Kurzschluss ist aber eine der Hauptquellen für Frustration bis hin zum Burnout, wenn selbst mit Einsatz letzter Energiereserven nach eigenen Maßstäben unzureichender beruflicher Erfolg erreicht werden kann. Und dafür opfern die Lehrkräfte auch noch ihre eigene Zeit am Instrument, anstatt selbst qualitativ hochwertig zu musizieren hoffen sie inständig auf ein paar gelungene musikalische Momente mit und von Lernenden.

 

 

Lerngemeinschaften bieten die wohltuende Möglichkeit, Lehrende wieder selbst zumindest für einen größeren Teil ihres beruflichen Erfolgs verantwortlich zu machen. Denn in Lerngemeinschaften steht nicht mehr nur das Lehren im Vordergrund, Lehrende sind eingeladen, sich selbst als Lernende zu verwirklichen und darin sichtbar zu werden. So ist es einer der zentralen Gedanken von Lerngemeinschaften, dass Lehrende nicht nur dann "nützlich" für Lernende sind, wenn sie als Modell für das Lehren, sondern besonders auch als Modelle des Lernens, des Übens, des Experimentierens, des Improvisierens, der Offenheit, der Neugierde, der Lust am Neuen und des Mutes zum Eingeständnis der eigenen Unvollkommenheit wahrgenommen werden können. Das Weitergeben, das Lehren, das Beobachten geschieht nicht mehr in einer Zweierbeziehung mit klar verteilten Rollen sondern in einer Gruppe, einer Gemeinschaft, in der Lernen und Lehren in vielfältigen Konstellationen gelebt werden. Hier dürfen sich alle ihren instrumentalen Fertigkeiten, ihrer Persönlichkeitsentwicklung, ihrer musikalischen Allgemeinbildung, ihrer Körper- und Atembewusstheit widmen und an ihren eigenen Erfolgserlebnissen arbeiten, ob gemeinsam oder einzeln. Alle Teile einer Lerngemeinschaft sind gleichermaßen für das eigene Lernen sowie den Lernerfolg der Gruppe verantwortlich. Das Lernen derer, die sich bis gestern noch ausschließlich als Lehrende begriffen haben, ist dabei selbstverständlich nicht nur auf musikalische Fragestellungen reduziert, der "Lernstoff" in einer Gruppe geht natürlich viel weiter, hinein in gruppendynamische Prozesse, Teambildungsprozesse u.v.m. Lerngemeinschaften können sich zu Projektgemeinschaften, Ensembles, Bands entwickeln, in der alle mit dem Gelernten zum Gelingen beitragen. Auch hier besteht einmal mehr die Chance zu interkulturellen und intergenerativen Prozessen.

 

Auf diese Weise können wir beglückt einen Arbeitstag als gelungen und erfolgreich betrachten, in dem (auch) wir selbst viel lernen und üben durften, in dem wir als Musiker gelebt haben und als solche von denen wahrgenommen wurden, die es selbst werden wollen.