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Rede zur Eröffnung des Georg-Scholz-Hauses der Kultur

von Stefan Goeritz

 

Seit fast zwei Jahren nun hat mich dieses Haus in Gedanken beschäftigt.

Damals hatten während der Haushaltsberatungen zum HH 2012 drei Fraktionen des Gemeinderats den Antrag gestellt, das Haus zu verkaufen, und ich bin sehr dankbar darum, dass man dies nicht gemacht hat. Dafür möchte ich mich heute mit dieser Veranstaltung bedanken, auch besonders bei Herrn OB Leibinger und Bernd Zickgraf, die sich dafür eingesetzt haben, dass ich für die Musikschule ein Nutzungskonzept erstellen durfte, um das Haus während der Zeiten zu beleben, wenn keine Ausstellungen stattfinden.

Ich möchte nun nicht alle Dankesworte wiederholen, die heute schon gesagt wurden, trotzdem darf ich hier sagen, dass all das ohne die Unterstützung von Gisela Sick nicht möglich gewesen wäre, die eine sehr gute Freundin unserer Musikschularbeit geworden ist. Auch bedanken möchte mich an dieser Stelle aber auch bei unserem Kollegium, dass sie sich immer wieder auf ungeahnete Abenteuer mit mir gemeinsam einlassen, das Georg-Scholz-Haus der Kultur ist nur eines von vielen in den letzten zehn Jahren!

 

Nun unterrichte ich seit zwei Monaten in diesem Haus und freue mich sehr darüber, dass ich, glaube ich, den Nummer 1 Hit der Schülerzitate nicht so gut wie gar nicht mehr gehört habe: „Ich hatte keine Zeit zu üben, weil…“

Skandalöserweise gestatte, dazu zu sagen: Noch nie hatten Schüler/innen so viel Zeit wie heute! Denn noch nie haben junge Menschen so viel gleichzeitig erledigt wie jetzt: Gleichzeitig per Smartphone / Facebook/ Whats App mit vier weit voneinander entfernten Menschen kommunizieren, während man sich im Zug mit den Kameraden unterhält und den Mitreisenden seine Lieblingsmusik vorspielt, dabei ab und zu ein Foto schießen oder ein Video, das beim Freund in den USA im nächsten Moment Einzug in dessen „Jetzt“ hält: So viel „Jetzt“ gab es noch nie, so viel konzentriert verdichtete Zeit hatte noch keine Generation, um all das zu erleben hätte man vor nicht allzu langer Zeit unglaublich viel mehr Zeit benötigt: Fotografieren, Musik hören, Briefe schreiben, Zug fahren, telefonieren, all das kostete so viel mehr Zeit zu einer Zeit, als der Tag, wie heute, auch nur aus 24 Stunden bestand. Nein, ich glaube wirklich, dass es noch nie so viel beschleunigtes „Jetzt“ gab, so viel Zeit in einem einzigen Augenblick. Ich glaube, was uns vielmehr verloren gegangen ist, ist das „Hier“.

Denn während wir uns in jedem „Jetzt“ über die halbe Welt zersteuen, sind wir nicht mehr nur im Zug, sitzen wir nicht mehr am Fluss, sind wir nicht mehr zu Hause. Zerteilt auf viele Orte gibt es im „Jetzt“ sehr viel „Dort“ und ganz wenig „Hier“.

Und deswegen möchte ich den besagten Nummer 1-Hit anders übersetzen: Gemeint war wahrscheinlich weniger: Ich hatte keine Zeit finden können, Musik zu machen als: Ich habe den Ort nicht aufgesucht, vielleicht nicht finden können, wo ich mich auf das Üben, auf Musik einlassen konnte oder wollte…

Wir leben in einer unglaublich spannenden Zeit. Über 160 verschiedene Nationen und Kulturen leben in Deutschland, es Bedarf allergrößter Anstrengungen in den Bereichen Kultur und Bildung, um uns alle zu einem funktionierenden, identitätsstiftenden Gemeinwesen zu vereinen. Sollten uns jetzt, ausgerechnet in dieser Zeit, die Orte fehlen, wo wir aus unseren kulturellen Wurzeln heraus die Schöpferkraft entwickeln, das Neue zu schaffen, in dem wir in Kürze leben werden und wollen, so will ich mir das künftige „Hier“ lieber nicht vorstellen. Es ist sehr ermutigend, dass ihr, liebe Schülerinnen und Schüler nicht mehr „keine Zeit“ hattet, ihr habt ja einen Ort gefunden…

 

Ich wünsche mir und uns allen, gemeinsam mit dem Georg-Scholz-Haus Kunstforum, dass dieses Haus der Kultur sehr sehr lange ein Ort sein möge, wo Kultur ein „Hier und Jetzt“ findet. Ich bitte Sie und euch alle dabei sehr herzlich um Unterstützung.